„Nie die Hoffnung verlieren“ ist leicht gesagt. Für Andreas Berg* aus Solingen ist das manchmal eine echte Herausforderung. Von Geburt an ist er aufgrund einer Gelenkerkrankung in seiner Mobilität stark einschränkt. Deshalb musste er auch vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden. „Die Arbeit als Metallbauer hat mir viel Spaß gemacht. Ich mag es, wenn ich mit meinen Händen etwas gestalten und herstellen kann. Nur leider wurde das aufgrund meiner Erkrankung immer schwieriger bis die Schmerzen so stark wurden, dass ich ganz aufhören musste“, bedauert Berg. Mit dem Job verlor der 57-Jährige auch viele seiner sozialen Kontakte. Der Betrieb lag einige Kilometer entfernt, Kolleginnen und Kollegen kamen nicht mal eben so vorbei und an gemeinsamen Treffen konnte Andreas Berg aufgrund seiner Eingeschränktheit nie teilnehmen.
Ich habe meine berufliche Neuorientierung der Pflege meiner Mutter geopfert. Das war ich ihr schuldig.
Seine Erwerbsminderungsrente ist nur gering. Er spielt mit dem Gedanken einer Umschulung. Vielleicht etwas kaufmännisches. Ein Bürojob, zumindest in Teilzeit, scheint ihm trotz seines fortgeschrittenen Alters machbar. Aber dann erleidet seine Mutter einen Schlaganfall. Seit dem Tod des Vaters lebt Berg wieder mit ihr zusammen in einer kleinen Wohnung im Solinger Stadtteil Gräfrath. Der ältere Bruder ist mit seiner Familie nach Friesland gezogen, darum übernimmt Andreas Berg die Pflege der 83-jährigen Mutter allein. Für ihn eine Selbstverständlichkeit, die ihn schon bald psychisch und physisch an seine Grenzen bringt. Trotzdem ist es ein Schock für Berg, als er seine Mutter aufgrund ihres sich verschlechternden Gesundheitszustandes in eine Pflegeeinrichtung bringen muss. „Jetzt hatte ich auch noch meinen Lebensmittelpunkt verloren und fühlte mich einsam“, beschreibt Berg die Situation.
Krank – Arm – Einsam
Außerdem reicht die Rente hinten und vorne nicht. Menschen wie Andreas Berg, die aufgrund einer chronischen Erkrankung frühzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden müssen, sind in besonderem Maße von Armut bedroht. Durch den vorzeitigen Ausstieg entgehen ihnen wichtige Erwerbsjahre, was sich direkt negativ auf die Höhe der gesetzlichen Rente sowie auf betriebliche und private Vorsorge auswirkt. Hinzu kommt, dass die Erwerbsminderungsrente, auf die viele Betroffene angewiesen sind, in der Regel deutlich unter dem früheren Einkommen liegt und oftmals nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu sichern. Gleichzeitig steigen die finanziellen Belastungen von Andreas Berg durch seine chronische Erkrankung: Kosten für Medikamente, Therapien, Hilfsmittel und häufige Arztbesuche belasten das ohnehin knappe Budget zusätzlich. Hinzu kommen die regelmäßigen Fahrten mit Bus und Regionalbahn zu seiner Mutter ins Pflegeheim.
„Alles ist einfacher, wenn man es zusammen angeht“
Ein Hinweis aus der Nachbarschaft führte dazu, dass seine Kirchengemeinde ihm Hilfe anbietet. „Ich weiß nicht, wer da gepetzt hat, aber ich bin so dankbar, dass ich jetzt nicht mehr alles alleine tragen muss“, freut sich Berg. Seit einem Jahr bekommt er regelmäßig Besuch von einem ehrenamtlich engagierten Gemeindemitglied. Ihm kann er von seinen Nöten erzählen und zusammen nach Lösungen suchen. Auch finanziell bekommt er Unterstützung mit Spendengeldern der Aktion „Füreinander. Für hier.“, beispielsweise mit der Finanzierung eines Deutschlandtickets. Neben den regelmäßigen Besuchen seiner Mutter hat er so auch wieder Kontakt zu seinen alten Kollegen aufgenommen. „Wenn ich darüber nachdenke, dass andere Menschen sich dafür engagieren – mit Zeit und Geld – um mir meine Situation zu erleichtern, bin ich jedes Mal aufs Neue so unendlich dankbar“, freut sich der gebürtige Solinger. Auch sonst erfährt Andreas Berg Unterstützung aus der Gemeinde. Einmal in der Woche darf er sich bei der Lebensmittelausgabe mit allem Notwendigen versorgen.
*Name geändert
Text: Michaela Szillat
Studien und Sozialberichte bestätigen regelmäßig, dass Menschen mit Erwerbsminderungsrente zu den einkommensärmsten Bevölkerungsgruppen gehören. Besonders betroffen sind dabei Alleinstehende, Frauen sowie Personen mit geringem Bildungsgrad. Die frühe gesundheitlich bedingte Erwerbsaufgabe stellt somit ein zentrales Risiko für soziale Ausgrenzung und Armut dar.