An jeder Haustür ein Schwätzchen.
„Ach, da sind Sie ja. Wie schön, Sie zu sehen. Ich habe schon auf Sie gewartet. Wollen Sie auf einen Kaffee reinkommen?“ Wenn Angelina Eckmann aus Methler im Kirchenkreis Unna in ihrer Kirchengemeinde für die Diakoniesammlung unterwegs ist, kann es schon mal etwas länger dauern. An fast jeder Haustür, an der sie klingelt, gibt es ein Schwätzchen, häufig geht es auch in den Garten oder aufs Sofa ins Wohnzimmer. Angelina ist bekannt wie der sprichwörtliche „bunte Hund“. Sie lacht: „Das stimmt. Durch die Sammlungen kenne ich mittlerweile richtig viele Leute in meinem Ort, das ist echt schön. Man kennt und vertraut sich, und bei vielen Menschen ist es ein festes Ritual, zweimal im Jahr für die Diakonie zu spenden. Oft werde ich schon Wochen vorher gefragt, wann ich wieder losziehe. Die Sammlung ist ein echter Türöffner in vielen Bereichen“, erzählt die Grundschullehrerin.
Die 31-Jährige sammelt nun schon seit fast zehn Jahren als Ehrenamtliche in ihrer Gemeinde in Methler. Zweimal im Jahr – im Sommer und im Winter – starten die Diakonie und die Caritas eine gemeinsame, jeweils dreiwöchige landesweite Spendenaktion in NRW. Seit mehr als 75 Jahren helfen tausende Engagierte von Diakonie und Caritas Menschen, die in Not sind. Damit ist die Sammlung eines der ältesten und erfolgreichsten ökumenischen Fundraising-Projekte in Deutschland.
Gehört beim Spendensammeln in Methler dazu: ein Schwätzchen an der Tür.
Gespendet werden kann in heutigen Zeiten natürlich per Überweisung, aber die persönliche Sammlung an der Tür ist im Kirchenkreis Unna – anders als in vielen Kirchengemeinden – noch feste und liebgewonnene Tradition, ein Stück gelebte Nähe: „Unser Pfarrer hat mich damals angesprochen und ich fand das Konzept direkt toll. Die Menschen spenden aus meiner Sicht lieber persönlich statt anonym, es ist die Form der Spende, die die Menschen am meisten anspricht. Ich bin quasi eines der Gesichter der Sammlung“, lacht Angelina.
Die Sammlung ist ein echter Türöffner.
Wofür gesammelt wird, variiert immer wieder. Eins aber ist immer sicher: Das Geld fließt in diakonische Projekte vor Ort. Das Geld landet bei Menschen, die von Armut, Ausgrenzung oder Einsamkeit betroffen sind. Viele Jahre sind die Spenden aus den Kirchenkreisen Unna, Soest-Arnsberg und Hamm in das Projekt „Sommerland“ der Diakonie Ruhr-Hellweg geflossen. „Sommerland“ bietet in Soest Trauergruppen für Kinder, Jugendliche und ihre Angehörigen an. In diesem Jahr wird die Flüchtlingsarbeit der Diakonie unterstützt. Während Angelina Eckmann mit der knallblauen Sammelmappe unter dem Arm zur nächsten Haustür schlendert, erzählt sie: „Es gibt einen großen Vertrauensvorschuss, für die Diakonie zu spenden. Die meisten meiner Spender*innen fragen tatsächlich auch nicht explizit, wohin das Geld fließt, sie sagen mir, wenn es für die Diakonie ist, wird es sinnvoll sein. Sie wissen aber, dass es eine unmittelbare und unbürokratische Hilfe für Menschen in der direkten Nachbarschaft ist. Für die Diakonie zu spenden, gibt den Menschen ein gutes Gefühl. Ich habe noch nie eine blöde Reaktion erhalten.“
Viele Menschen in Methler haben selbst einen Bezug zur Diakonie – das stärkt die Spendenbereitschaft.
Für die Diakonie zu spenden, gibt den Menschen ein gutes Gefühl.
An der nächsten Haustüre bleibt das Klingeln ungehört. Dafür liegt ein kleiner Umschlag neben den Stufen. Keine Seltenheit, erzählt Angelina und trägt die Spende mit dem Kuli in ihr Quittungsbuch ein. „Dorf eben“, schmunzelt sie, „da ist das noch problemlos möglich. Wenn die Leute wissen, ich geh rum, sie sind aber nicht da, wird das Geld halt an der Haustüre platziert.“
Beim Rundgang mit der Sammlerin stellt sich heraus: Viele Menschen in Methler haben einen persönlichen Bezug zur Diakonie, spenden deshalb vielleicht besonders gerne. Da ist der Schwiegervater bei der Diakoniestation in Pflege oder die Tochter hat ihr Studium an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld begonnen. „Ich habe auch immer Flyer und Infomaterial mit dabei und höre zu, was die Menschen gerade brauchen. Viele sind dankbar über den Besuch. Sie erzählen mir aus ihrem Leben, was sie gerade beschäftigt, was schön ist, aber auch, wo der Schuh drückt. Auch die Diakonie-Postkarte als Dankeschön ist heiß begehrt. Eine Spenderin verschickt die zum Beispiel jedes Jahr als festes Ritual zu Weihnachten an ihre Freundin. Wehe, ich habe die nicht dabei.“
Nicht nur das Spendenbuch, sondern auch ihre Kinder und die Familienhunde begletien Angelina Eckmann bei ihren Runden.
Im Schnitt acht bis neunmal pro Sammlung ist die Grundschullehrerin in ihrer Gemeinde in den Straßen der 11.000-Seelen-Gemeinde unterwegs. Fast immer mit im Gepäck: ihre Kinder Henry (6 Jahre, auf dem knallroten Zoom-Rad) und Rosa (4 Jahre, die sich anfangs schüchtern hinter dem Rücken der Mutter versteckt). Auch die beiden Familienhunde sind beim Sammelspaziergang gerne mit am Start. Die bunte Truppe wird oft schon von Weitem begrüßt: „Für die Kinder ist das natürlich auch total spannend. Die bekommen oft ein Stück Schokolade geschenkt und die Hunde werden durchgeknuddelt. Mir ist wichtig, dass meine Kinder von klein auf miterleben, dass Ehrenamt und Engagement wertvoll sind. Dass es sich lohnt, auf Menschen zuzugehen, das Gespräch zu suchen. Und dass es richtig Spaß machen kann, sich für eine gute Sache einzusetzen.“
Hat Angelina jemals gedacht, dass für sie als junge Frau das Spendensammeln an der Haustür uncool sein könnte? Oder ihr Engagement in der Kirchengemeinde? „Ach was. Nicht ein Mal. Im Gegenteil: Es ist ein gutes Gefühl. Ich schätze den Kontakt mit den Menschen unserer Gemeinde sehr und weiß auch, dass sie es tun. Schön ist es dann später, im Gemeindebüro den Umschlag mit den Spenden abzugeben und das Gefühl zu haben, ich habe einen Teil für eine gute Sache beigetragen.“