Segel setzen – und auf zu neuen Ufern.
Mein Name ist Alfons Goris. Noch während meiner aktiven Berufszeit als Professor für Stahlbeton- und Spannbetonbau an der Universität Siegen habe ich bei einem Projekt „Pate für Ausbildung“ mitgemacht, das seinerzeit vom katholischen Jugendwerk „Förderband“ initiiert wurde. Es ging dabei darum, junge Hauptschülerinnen und Hauptschüler im letzten Schuljahr zu begleiten, Hilfestellung bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle zu leisten und dann ggf. auch noch während der Ausbildungszeit zu unterstützen.
Ich habe dabei zwei junge Menschen bis zum Schulabschluss begleitet. Einen von den beiden habe ich dann während seiner gesamten Ausbildungszeit bis zum qualifizierten Berufsabschluss helfen können. Heute ist dieser junge Mann erfolgreich in seinem Beruf, ist verheiratet und hat ein Kind. Es erfüllt mich immer wieder mit großer Freude, wenn ich ihn mit Frau und Kind treffe und sehe, dass er erfolgreich seinen „Mann steht“.
Das war vor etwa 15 Jahren und gleichzeitig mein Einstieg in die caritative ehrenamtliche Tätigkeit. Mir war es eigentlich schon immer ein Anliegen, aktiv dabei mitzuwirken, Menschen einen fairen Start in einem neuen Lebensabschnitt zu ermöglichen.
Ich hatte seinerzeit schon einige Bedenken, wie motiviert meine „Patenkinder“ sein würden und ob diese Arbeit überhaupt Sinn macht. Der Erfolg hat mich aber dann ermutigt, diese ersten Schritte weiterzugehen und mich mit meinem Eintritt ins Rentenalter vor gut zehn Jahren verstärkt der ehrenamtlichen Tätigkeit in unserer Caritas-Konferenz zuzuwenden.
Kleiderläden für Bedürftige? Da lasst lieber die Finger von, am Ende werdet ihr nur noch ‚zugemüllt‘ mit Sachen, die kein Mensch haben will.
Das waren die ersten Reaktionen, als wir vor gut zehn Jahren über eine Neugründung beziehungsweise Wiedereröffnung unseres (Alt-)Kleiderladens diskutierten, nachdem nach über 20 Jahren die bisherigen Räumlichkeiten gekündigt wurden. Die erste und wichtigste Frage: Wo stehen ausreichende Räumlichkeiten zur Verfügung?
Eine Kundin im Beratungsgespräch mit einer „Kleiderstüblerin“ – hier am „Second-Hand-Day“ am 8. März 2025.
Es wurde ein Konzept entwickelt, bei dem die Gemeinderäume in der Christus-Erlöser-Kirche flexibel genutzt werden sollten, das heißt, sie sollten an mindesten zwei Tagen in der Woche ausschließlich der Kleiderstube zur Verfügung, an den restlichen Tagen aber wie bisher für andere ‚gemeindlichen‘ Zwecken zur Verfügung stehen. Und Anfang des Jahres 2014 stand das Konzept, so das am 4. März 2014 war es dann soweit: Die Regale und Kleiderständer waren gut gefüllt und die Kleiderstube konnte wieder eröffnet werden. Das Angebot an Spenden und auch die Nachfrage waren von Anbeginn an groß. Und besonders erfreulich: In kurzer Zeit meldet sich etwa 25 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die seitdem in vier Teams den Betrieb im Kleiderladen aufrechterhalten.
2018 konnte „25 Jahre Kleiderstube der Caritas in Kreuztal“ gefeiert werden, als Ehrengast war auch Bürgermeister Walter Kiss geladen. Er sparte nicht mit Lob: „Die Kleiderstube ist eine großartige und segenreiche Einrichtung, die dringend gebraucht wird. … Aber nicht nur die Ausgabe der Kleidung ist wichtig, auch die Möglichkeiten der Kommunikation, die hier stattfindet, sind aller Ehren wert“.
Die Kleiderstube als Initiale für das Café International und Ukraine-Hilfen
Damit spielte der Bürgermeister auf das in 2016 gegründete Café International, in dem bis zu 18 Familien mit ihren Kindern zusammenkamen. Die Helferinnen und Helfer leisteten und – leisten heute noch – großartiges. Neben gemeinsamen Nachmittagen in etwa 14-täglichen Rhythmus und gemeinsamen Tagesausflügen gab es individuell Unterstützung beim Spracherwerb, beim Umgang mit Behörden, in schulischen Angelegenheiten und beim Einstieg in das Berufsleben. Die Atmosphäre bei den regelmäßigen Treffs war geprägt von einer großen Offenheit und Herzlichkeit.
„Ich bin besonders stolz darauf, dass es mir in dieser Zeit gelungen ist, einer Familie mit ihren Kindern die Integration hier zu ermöglichen, der Vater ist jetzt berufstätig, die älteren Kinder habe zwischenzeitlich die Schule erfolgreich absolviert und mit einer Ausbildung begonnen“, so sagte mir ein Helfer vor einigen Tagen.
Spielenachmittag im Café International, hier beim Bau des „Fröbelturms“.
Der Zuzug von Flüchtlingen aus der Ukraine veranlasste die Kleiderstube spontan dazu, eine kostenlose Erstausstattung zur Verfügung zu stellen. Kurzfristig wurde zudem die bereits seit 2005 erfolgreich Konversationskurse um eine Gruppe für Ukraineflüchtlinge erweitert. Aber nicht nur die Not der Ukrainer hier vor Ort berührte viele Menschen. Seit 2023 wird daher in unserem Pastoralverbund regelmäßig zu (Sach-)Spenden für die Ukraine aufgerufen – allein in 2023 und 2024 war es zehn Aufrufe, die organisatorisch insbesondere in der Kleiderstube betreut wurden. Besonders berührend waren zwei Aufrufe jeweils kurz vor Weihnachten nach Weihnachtsgeschenken für Kinder. Allein in 2024 kamen über 400 Geschenke zusammen. Zahlreiche Fotos, die uns einige Tage später aus der Ukraine erreicht, zeugen davon, dass mit dieser Aktion den Kindern in der Ukraine beim Fest der Liebe trotz der schrecklichen Umstände ein bisschen Weihnachtsfreude ins Haus gebracht werden konnte.
Helferinnen und Helfer vor der Christus-Erlöser-Kirche beim Verladen von über 400 Weihnachtspäckchen für Kinder in der Ukraine.
Not sehen und handeln
Mit christlicher Nächstenliebe die Welt gestalten: Etwas für andere tun, die Gesellschaft verändern und voranbringen, die Welt ein kleines Stückchen besser machen, das ist vielfach das, was motiviert. Die herzliche Atmosphäre im Helferkreis schafft den äußeren Rahmen dafür, so dass sich viele Ehrenamtliche immer wieder neu gewinnen lassen und sich bei diesen und ähnlichen Aktionen mit Freude engagieren.